- Hexenverfolgung: Blutige Spur
- Hexenverfolgung: Blutige Spur»Weiße« und »schwarze« MagieZu »zaubern« — vor dem Siegeszug der Aufklärung im 18. Jahrhundert hielt das praktisch jedermann für möglich. Sogar die vormodernen intellektuellen Eliten bedienten sich bei ihrer Weltinterpretation, bei der Daseinsbewältigung der »Magie«, deren etwas vornehmere Spielarten Alchimie und Astrologie hießen. Jenes magische Weltbild war in zweifacher Hinsicht dualistisch. Es setzte, erstens, die stete Präsenz magischer Eigenschaften in den Dingen dieser Welt voraus und ebenso die Möglichkeit, mit Wesen einer anderen, einer Geister- und Dämonenwelt in Kontakt zu treten; wer um die diesseitigen magischen Mittel (Kräuter, Steine, Tierklauen), die ihnen angemessenen Rituale, ihre Wirkungen wusste und Zugang zu den Geistern des Jenseits hatte, war als Magier, Schamane, Druide, Yogi akzeptiert. Zweitens zerfielen die magischen Welten überall in eine gute und eine böse Sphäre, es gab »weiße Magie« und »schwarze«, magische Heilkünste standen gegen Schadenzauber (»Hexenschuss«). Die weltliche Obrigkeit verfolgte ausschließlich schwarze Magie, zum Beispiel zauberischen Erntediebstahl. Die antiken und mittelalterlichen Rechtskodifikationen enthalten entsprechende Strafvorschriften.Zauberei im Bannkreis der InquisitionFür die geistliche Rechtsprechung des europäischen Mittelalters wurden zwei interessante Tendenzen herausgearbeitet: Sie neigte dazu, weiße und schwarze Magie in eins zu setzen, Magie war für sie Teufelsanrufung, mithin Abfall vom Gottesreich, also grundschlecht. Und sie vermengte die Tatbestände Zauberei und Ketzerei. Damit geriet Zauberei ins Blickfeld der Inquisition, der im 13. Jahrhundert, im Zuge der Waldenser- und Albigenserverfolgung entstandenen, zunächst bischöflichen, dann päpstlichen Ketzerverfolgung, die sich bald behördlich ausformte. Für die Inquisitoren waren Zauberer Mitglieder einer Verschwörung gegen das Christentum, einer neuen Sekte, die den Teufel anbetete. Diese Sekte galt es mit Stumpf und Stiel auszurotten — dass bald nicht mehr der einzelne (nachzuweisende) Schadensfall interessierte, sondern die ganze Sekte, war ein wichtiger Zwischenschritt hin zu den neuzeitlichen Verfolgungswellen mit ihren Massenexzessen.Diese etikettieren wir heute gewöhnlich als »Hexenverfolgungen«. In der Tat wurde im Lauf des 15. Jahrhunderts für weibliche Angehörige der neu entdeckten »Teufelssekte« die Bezeichnung »Hexe« gebräuchlich, viele ältere Begriffe für unheimliche Wesen (wie »Furia«) wurden aufgesogen — nicht vollständig freilich: Gerichtsakten zu Prozessen, die wir heute den Hexenverfolgungen zurechnen, sprechen nicht selten etwa von der »Unholde«, und für männliche Opfer bediente man sich weiterhin älterer Ausdrücke wie »Zouberer« oder »Truttner«, auch dann, wenn man die Angeklagten, ganz im Sinn der Inquisitoren, als Mitglieder der Verderben bringenden Teufelssekte ansah. Dass es gegen jene Sekte ging, dass man den Teufelspakt unterstellte, nach den »Mitverschwörern« fahndete (Hexen und Hexer waren nie »Einzeltäter«!), das macht »Hexenverfolgungen« aus; angebliche magische Praktiken sind dafür nicht hinlänglich, von ihnen war ja der ganze frühneuzeitliche Alltag gewissermaßen durchtränkt, und es hat neben den neuartigen Hexen- auch die traditionellen Schadenzauberprozesse weiterhin gegeben. Nicht selten endeten sie mit eher milden Strafen, nie mündeten sie in Massenverfolgungen, lösten sie Massenhysterien aus. Die großen Wellen und Kampagnen, regelrechte Ausrottungsfeldzüge — das galt der »Verschwörung«, der Sekte, finsteren Machenschaften nicht eines einzelnen Menschen, sondern des Teufels.Die HexenlehreÜber die unheilvolle Teufelssekte glaubte man bald recht genau Bescheid zu wissen; noch im ausgehenden Mittelalter etablierte sich in der gelehrten Welt eine detailliert ausgearbeitete »Hexenlehre«. Wichtige Elemente des neu entdeckten crimen exceptum (Superverbrechen) oder crimen atrocissimum (des furchtbarsten aller Verbrechen) waren der Abfall zum Teufel (Teufelspakt), der zur Bekräftigung des neuen Bundes ein Zeichen auftrug oder einritzte (Hexenmal), ferner Geschlechtsverkehr mit dem Teufel (Teufelsbuhlschaft), sodann nächtliche Luftfahrten, Hexentänze und orgiastische Ausschweifungen (Hexensabbat). Die bekannteste, in vielen Auflagen verbreitete Anleitung zur Bekämpfung des Hexenunwesens, der »Malleus maleficarum« (Hexenhammer) von 1487, stammt aus der Feder zweier Inquisitoren. Der einfache Mann las derartige Traktate freilich nicht, die alte volksmagische Gedankenwelt wurde durch die neue kirchliche Hexenlehre auch nicht wirklich umgestülpt; aber vielleicht haben Sickerprodukte des gelehrten Hexenbegriffs doch dazu beigetragen, dass man auch »unten«, im Dorf, für vermeintliche Verschwörungen sensibilisiert wurde, dass man bald überall Schadenzauber witterte und sich zur Denunziation ermuntert sah.VerfolgungswellenWandern wir kurz über die europäische Landkarte und durch jene Jahrhunderte, die man heute spätmittelalterlich beziehungsweise frühneuzeitlich nennt. Erste Massenverfolgungen von »Zauberern« traten im 2. Viertel des 14. Jahrhunderts in Südfrankreich auf. Bis zum 15. Jahrhundert entstand eine zusammenhängende Verfolgungszone, die von Nordostspanien über Südfrankreich nach Burgund und hinauf bis zum Sankt Gotthard reichte. Die benachbarten italienisch- und deutschsprachigen Gebiete wurden berührt, aber nicht wirklich »infiziert«. Bis ungefähr 1480 blieben Hexenverfolgungen, etwas überspitzt ausgedrückt, eine französische Spezialität. Danach traten sie ihren Weg nach Norden an, durchs Heilige Römische Reich Deutscher Nation bis hinauf nach Dänemark, um scheinbar allmählich zu verebben.Seit 1560 kam es zu einer (schon für manche Zeitgenossen) überraschenden Wiederbelebung des Verfolgungswahns, auch in den alten Kerngebieten, zudem und vor allem aber im Alten Reich. Die schlimmsten Exzesse, regelrechte Ausrottungskampagnen fanden in den Jahren 1626 bis 1630 statt, in Franken, im Rheinland. Danach gingen die Reichsfürsten und auch, viel zu wenig beachtet, der Reichshofrat ernsthafter gegen den Verfolgungswahn der Untertanen vor — nicht, weil die Obrigkeit etwa die Existenz von Hexen bezweifelt hätte, das tat damals praktisch niemand; doch traf es ihr zu viele Unschuldige, auch waren Hexenprozesse teuer. Einzelne »Hexen« und, vor allem, »Hexer« hat man weiterhin hingerichtet, große, ökonomisch wie moralisch verheerende Exzesse wurden selten. Als die Frühaufklärung nach 1700 begann, Hexerei grundsätzlich infrage zu stellen, waren Hexenprozesse längst selten geworden, Merkmale rückständig gebliebener Territorien. Schreckliche Einzelschicksale sah freilich auch noch das Jahrhundert der Aufklärung; die letzte Hinrichtung auf Reichsboden fand 1775 im Hochstift Kempten statt, die letzte Hexentötung überhaupt sieben Jahre später im Schweizer Kanton Glarus.DeutungsversucheWarum hat man »Hexen« verfolgt? Die Wissenschaft vermag den einen, zündenden Grund nicht zu nennen, ja, sie ist bis heute kaum in der Lage, die Frage plausibel zu beantworten. Sicher kann man sich über so banale Sachverhalte wie den, dass Menschen Sündenböcke brauchen, besonders, wenn es ihnen schlecht geht, leicht verständigen. Das ist freilich derart allgemein gesprochen, dass es zum Beispiel auch Judenverfolgungen »erklären« kann; übrigens ist auch der Mythos von einer Verschwörung gegen »die Christenheit« beiden Verfolgungen gemein. Trotzdem waren doch Juden- und Hexenverfolgungen etwas je ganz Eigenes.Nicht, dass die Wissenschaft nicht alle möglichen Erklärungsversuche erprobt hätte. Es gab sogar so etwas wie »Moden«, die, rückschauend betrachtet, viel über den gerade etablierten Wissenschaftsbetrieb aussagen und wenig über die frühneuzeitlichen Verfolgungen. Am Beginn der seriösen »Hexenforschung« pflegte man das Phänomen theologiegeschichtlich zu behandeln, sah man auf lateinische Traktate, den gelehrten Hexenglauben. Aber ist damit der Verfolgungswunsch der einfachen Menschen vor Ort, der, wie man inzwischen weiß, fast immer auslösend und ausschlaggebend gewesen ist, wirklich zu erklären? Absurd, aber eine Zeit lang durchaus gängig der »geschlechtergeschichtliche« Ansatz: Ihm zufolge handelte es sich bei den Hexenprozessen um besonders schlimme Auswüchse von »Männerfantasien« oder gar um eine Kampagne zur Ausrottung von, wie man zu sagen pflegte, »weisen« Frauen. Nun wurden freilich immer auch Männer verurteilt und verbrannt! Die Hexe — das war beileibe nicht nur die alte, unansehnliche Frau. Bei den Salzburger »Zauberer-Jackl«-Prozessen im späten 17. Jahrhundert waren 70 Prozent der Opfer Männer und ebenfalls 70 Prozent jünger als 22 Jahre.Viel Energie hat man gerade in jüngerer Zeit in den Versuch investiert, Hexenverfolgungen wirtschaftsgeschichtlich und klimatisch zu »erklären«, nachzuweisen, dass Verfolgungs- und Agrarkonjunkturen im Großen wie im Kleinen parallel verlaufen seien. Aber passt es wirklich zusammen, einerseits immer differenzierter aufzuzeigen, wie unterschiedlich Abfolge und Intensität der Verfolgungen in den einzelnen europäischen Regionen gewesen sind, um dann hinterher einen gemeineuropäischen »Rhythmus« zu konstruieren, der vom Klima abhänge? Und selbst wenn sich die »Fieberkurven« der Hexenverfolgung mit agrarischen Konjunkturkurven parallelisieren ließen, man hätte damit doch nur einen Anlass gewonnen, nicht die Ursache! Diese bleibt im Dunkeln.Verbreitung und Umfang der HexenverfolgungenSo muss man sich damit zufrieden geben zu bilanzieren, wo wer wann und wen verfolgt hat. Das Wo: »Hexen« wurden nur in christlichen Ländern verbrannt, nicht zum Beispiel im Osmanischen Reich. Kaum infiziert war auch der Nordosten Europas (Russland), wenig der Nordwesten — England zum Beispiel kannte wohl Schadenzauberprozesse, aber nicht die Vorstellung von der Teufelssekte mitsamt den entsprechenden Massenverfolgungen. Um in den Süden zu gehen: In Zentral- und Südspanien jagte man Muslime, Juden, Ketzer und Protestanten, nicht aber Hexen; Mittelitalien mit dem Kirchenstaat kannte nur Einzelprozesse, Oberitalien beruhigte sich im 16. Jahrhundert. Die schlimmsten Exzesse sahen im späten Mittelalter Frankreich und in der frühen Neuzeit das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, sehr schlimm ging es auch in der Westschweiz zu. Die Einfallspforte ins Reich lag im Südwesten, und dort war es auch am kleinräumigsten organisiert. Die territorialen Schütterzonen im Rheinland, im Saarland, im Schwäbischen und Fränkischen haben wohl, auf die jeweilige Einwohnerschaft gerechnet, den höchsten Blutzoll entrichtet — offenbar konnten sich die Regenten dieser Kleinterritorien Verfolgungswünschen ihrer Untertanen weniger erfolgreich widersetzen als die Regierungen größerer Flächenstaaten, Fürstbischöfe waren zudem, wenn es um die Ausrottung der angeblichen Hexensekte ging, leicht bei ihren christlichen Amtspflichten zu packen.Man schätzt, dass im Reich 15000 bis 20000 Hexen hingerichtet oder verbrannt worden sind. Wie viele »Hexen« und »Hexenmeister« hat man in Europa insgesamt getötet? Es ist schwer abzuschätzen; addiert man unsichere regionale Zahlen zusammen, muss die Gesamtsumme noch unsicherer sein. Seit man den Gang in die Archive angetreten hat und sich sein Bild von den Hexenverfolgungen nicht mehr aus den Traktaten der wenigen Verfolgungsgegner des 17., der Aufklärer des 18. Jahrhunderts zusammenschustert, werden die Zahlen immer wieder nach unten korrigiert. Wahrscheinlich wurden in Europa nicht, wie es früher hieß, Millionen, sondern deutlich weniger als hunderttausend »Hexen« hingerichtet oder verbrannt.Täter und OpferWer hat Hexen verfolgt? Das »eigentliche Kraftzentrum« (Walter Rummel) der Hexenprozesse waren oft genug die »dörflichen Hexenjäger«. Der Verfolgungswunsch entstand und organisierte sich vor Ort, freilich, ohne Mitwirkung und vielfaches Gewährenlassen der Obrigkeit ließ sich niemand zu Tode bringen. Wie weit die Obrigkeit mitmachte, gewähren ließ, das entschied darüber, ob einzelne Übergriffe zu Verfolgungswellen — und wann diese gebrochen wurden.Wen hat es getroffen? Alter, sozialer Status und Geschlecht der Opfer waren regional wie zeitlich sehr verschieden. Begann die vor allem in Südostdeutschland verheerende Verfolgungswelle um 1590 mit einem Frauenanteil von über 90 Prozent, traf es später viel häufiger Männer, manchmal offenbar sogar mehr Männer als Frauen. Außerdem wurden die Opfer im Spätstadium der europäischen Hexenverfolgungen immer jünger. Gab es besonders betroffene Berufsgruppen? An sich ließ sich der Hexereivorwurf leicht konstruieren, so einer mit Nahrungsmitteln zu tun hatte (Vergiftung!; also Gastwirte, Metzger, Bäcker) oder aber im Dunstkreis der volksmagischen Vorstellungen wirkte (Hebamme, Apotheker); aber für manche Regionen wurde nachgewiesen, dass es ausgerechnet jene Berufsgruppen sogar weniger als andere traf! Sicherer lässt sich so etwas wie eine »soziale Kurve« für große Verfolgungswellen zeichnen. Liefen neue Verfolgungen an, traf es in der Regel zunächst die Allerärmsten, Spitalinsassen, Waisenkinder, Viehhirten. Sie konnten sich schlecht wehren, waren oft arg- und ahnungslos, bezichtigten sich auch manchmal selber, noch ehe man sie gefoltert hätte. Im weiteren Verlauf der Verfolgung gerieten dann auch die Mittel-, bisweilen sogar die Oberschichten ins Visier der Hexenjäger. Lange währte jenes Spätstadium in aller Regel nicht, denn Angehörige der Oberschichten konnten sich besser artikulieren und wehren, sie setzten die jeweiligen Regierungen massiv unter Druck, verlangten erfolgreich, dass dem Unwesen ein Ende bereitet werde, auch wenn das, man muss es objektiv konstatieren, oft genug unpopulär war.Der Stand der Forschung erlaubt es mittlerweile, drei »Faustregeln« herauszudestillieren; überpointiert und stark vergröbernd formuliert: Verfolgungswellen begannen mit ärmeren älteren Frauen und endeten beim reichen Mann; je radikaler die Verfolgungen ins Werk gesetzt wurden, desto stärker gerieten die Oberschichten ins Visier der Hexenjäger; im Spätstadium der europäischen Hexenverfolgungen trat an die Stelle der »alten Hexe« der »Zauberbube«.Zum Teil lassen sich diese Faustregeln sicher mit Besonderheiten der Folter erklären, jener Folter, die man zu Recht als »die Seele des Hexenprozesses« (Wolfgang Behringer) bezeichnet hat. Als Hexe verbrannt wurde nur, wer zuerst denunziert wurde und dann unter der Folter »gestand«. Weil man in der Spätphase der europäischen Hexenverfolgungen, seit 1660, 1680, Denunziation und Folter gegenüber (endlich) misstrauisch geworden ist, ging man nun fast nur noch gegen Personen vor, die von sich aus allerlei zusammenfantasierten, ungefoltert angaben, sie seien Zauberer — »Verrückte« und, vor allem, Kinder!Die Folter im HexenprozessUnd solange die Folter noch ganz im Zentrum des Hexenprozesses gestanden hatte? Wir müssen es kurz betrachten, jenes peinigende Treiben, um die Hexenprozesse wirklich verstehen zu können. Zu foltern war in der frühen Neuzeit normaler Bestandteil der Strafprozessordnung. Auch Diebe und Ehebrecher wurden gefoltert. Aber es galten für jene Folter strenge Regeln — ausreichende Verdachtsmomente, keine mehrfache Tortur; Ziel waren Geständnis oder aber, gleichberechtigt daneben stehend, Reinigung vom Verdacht, der Scharfrichter konnte nicht einfach so lange weiterfoltern, bis er sein Geständnis endlich herausgepresst hatte.Für das vermeintliche Überverbrechen der Hexerei freilich konstruierten sich viele Hexenjäger ein Notstandsrecht zusammen, man ersann immer neue Torturen, legte also nicht nur die »normalen« Daumenschrauben an, sondern beträufelte die Opfer mit brennendem Pech, brach ihnen die Arme aus den Gelenken, am schlimmsten war das tormentum vigilarium, permanenter Schlafentzug über Dutzende von Stunden hinweg. Nicht selten überwachten jenen Schlafentzug in der Folterkammer übrigens die dörflichen Hexenjäger selbst, Nachbarn, frühere Freunde gar, während sich die Verwandten des armen Opfers, Mutter, Gatte gegenseitig darin überboten, das Geständnis anzumahnen, man habe doch schon immer gewusst, dass da etwas nicht in Ordnung sei. .. Irgendwann brach das Opfer zusammen. Mit letzter Kraft hauchte es sein »Geständnis« heraus.Freilich, die Pein hatte erst ihr Ende, wenn die Komplizen jener Verschwörung wider die Christenheit, wenn die anderen Sektenmitglieder benannt waren! Die Hexenjäger bekamen so ihre Opferlisten zusammen, die Benennung der vermeintlichen Komplizen war das eigentlich expansive Element, das aus Einzelprozessen Verfolgungswellen werden ließ. Natürlich hatte das Opfer nicht am »Hexensabbat« teilgenommen; von einigen wenigen Geisteskranken abgesehen, sind diese Menschen ja alle im Bewusstsein ihrer Unschuld gestorben! Wen also benennen? Viele wollten sozial höher Gestellte beim Hexensabbat gesehen haben. Da mag Rache im Spiel gewesen sein, man war ja auch gar nicht mehr recht Herr seiner Sinne. Aber sozial höher Gestellte als Teufelsanbeter zu »entlarven«, das konnte vielleicht sogar dem ganzen Spuk ein Ende bereiten. Man hatte selber nichts mehr davon, aber vielleicht die Freunde und Angehörigen? Hexenverfolgungen legten entsetzliche Niedertracht gerade im Familienkreis frei, aber wir kennen auch ergreifende Zeugnisse der Sorge um die Nächsten im Angesicht des Todes, man flehte, mit der linken, weniger gefolterten Hand krakelnd, die Angehörigen an, das Verfolgungsgebiet zu verlassen, das Weite zu suchen. .. Und man benannte, wie gesagt, Angehörige der sozialen Elite der Stadt, der Region. Die Verfolgungswelle erfasste höher Gestellte und brach sich daran.Dr. Axel Gotthard, ErlangenBehringer, Wolfgang: Hexenverfolgung in Bayern. Volksmagie, Glaubenseifer und Staatsräson in der frühen Neuzeit. Studienausgabe München 1988.Hexenwelten. Magie und Imagination vom 16.-20. Jahrhundert, herausgegeben von Richard van Dülmen. Frankfurt am Main 1993.Rummel, Walter: Bauern, Herren und Hexen. Studien zur Sozialgeschichte sponheimischer und kurtrierischer Hexenprozesse 1574-1664. Göttingen 1991.Schormann, Gerhard: Hexenprozesse in Deutschland. Göttingen 31996.
Universal-Lexikon. 2012.